Stadtwerke und gewobau ermöglichen im Hessenring 15 bis 19 ein besonderes Projekt
Von Jürgen Gelis
Bisher haben Mieter keine Chance, sich an der Energiewende zu beteiligen. Nur Hauseigentümer können entscheiden, ob sie sich eine Photovoltaikanlage aufs Dach bauen lassen und den Strom selbst nutzen. Den Mietern bleibt nur das Zahlen, denn für ihren verbrauchten Strom müssen auch sie die Umlage nach dem Erneuerbaren Energien-Gesetz (EEG-Umlage) begleichen. Doch für die Bewohner der gewobau-Häuser im Hessenring 15 bis 19 in Rüsselsheim am Main bietet sich nun eine Möglichkeit, Strom vom eigenen Hausdach zu nutzen: Mieterstrom heißt das besondere Projekt.
Blick auf die Photovoltaikanlagen auf den Dächern im Hessenring 15 bis 19.
Was ist Mieterstrom?
Strom lokal produzieren, vor Ort verbrauchen und das komplett CO2-frei – das ist Mieterstrom. Der Ökostrom wird im eigenen Haus erzeugt und von den Mietern direkt genutzt. Möglich machen es die Stadtwerke Rüsselsheim und Gesellschaft für Wohnen und Bauen Rüsselsheim (gewobau). Die gewobau war einverstanden, dass auf dem Dach der Wohnhäuser drei Photovoltaikanlagen (PV-Anlage) installiert wurden. Die Stadtwerke übernehmen Planungsleistung, Installation und Betrieb der PV-Anlage und auch die Verteilung des erzeugten Ökostroms auf die beteiligten Mietparteien sowie die Abrechnung.
Was ist der Vorteil vom Mieterstrom?
Wer bisher noch nicht mit Ökostrom beliefert wird, der steigt mit dem „Strom vom Dach“ auf eine umwelt- und klimafreundliche Erzeugung um. Zudem wird mit dem Mieterstrom der Anteil der dezentralen Stromerzeugung erhöht, was eine größere Unabhängigkeit von Stromnetzen und großen Stromerzeugern bedeutet.
Hinzu kommt der Preisvorteil, da ein Teil der Netzentgelte entfällt, die zu bezahlen sind, wenn Strom über das allgemeine Stromnetz angeliefert wird. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) regelt zudem, dass „Mieterstrom“ aus PV-Anlagen mit einem Zuschuss von 2,75 bis 3,80 Cent pro Kilowattstunde gefördert werden kann, wenn dieser ohne Nutzung des öffentlichen Stromnetzes direkt an Mieter geliefert wird. Auf der anderen Seite gibt es aber auch zusätzliche Kosten (Planungsleistung, Installation und Betrieb der PV-Anlage sowie die Verteilung des erzeugten Ökostroms und dessen Abrechnung). Doch unterm Strich ist er dank der Förderung durch den Staat günstiger als Strom aus dem öffentlichen Netz.
Hat auch die Vermieterin, also die gewobau, etwas vom Mieterstrom?
Die Stadtwerke haben von der gewobau den Auftrag für die Planung, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme der PV-Anlagen bekommen. Die Stadtwerke haben die Dachflächen und die gesamten PV-Anlagen für 20 Jahre gepachtet. Die gewobau als Vermieterin hat somit zusätzliche Einnahmen durch die Verpachtung, außerdem wird der Primärenergiebedarf ihrer Immobilie gesenkt – die gewobau hilft somit, die Energiewende regional umzusetzen.
Was ist, wenn die Sonne nicht scheint?
Auch wenn die Sonne nicht scheint und die PV-Anlage nicht genügend Strom erzeugt, ist die Versorgung jederzeit und immer gewährleistet. Die Häuser bleiben ans allgemeine Stromnetz angeschlossen und werden so immer mit Strom versorgt, falls der Bedarf nicht über den Mieterstrom gedeckt werden kann. Umgekehrt gilt: Wird mit der PV-Anlage mehr Strom erzeugt, als im Haus verbraucht wird, wird der Überschuss ins öffentliche Netz eingespeist.
Beispielrechnung für die Tarifbestandteile von Mieterstrom und herkömmlichen Netzstrom.
Wie sieht der Mietertarif konkret aus?
Die 24 Mietparteien der Häuser im Hessenring 15 bis 19 bekommen den Mieterstrom für 24,35 Cent brutto je Kilowattstunde und bei Bedarf den Strom aus dem öffentlichen Netz für 25,38 Cent brutto je Kilowattstunde (kWh). Gegenüber dem Basistarif des Grundversorgers eprimo von 30,25 Cent brutto je Kilowattstunde, beträgt die Ersparnis 109,80 Euro im Jahr bei einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden, was einem 4-Personen-Haushalt entspricht; dabei ist berücksichtigt, dass eprimo einen niedrigeren monatlichen Grundpreis (5,50 Euro) hat als die Stadtwerke (9,90 Euro). Zudem wird davon ausgegangen, dass der Strom jeweils zur Hälfte aus dem Netz und vom Dach kommt.
Wie lässt sich der Überblick erhalten?
Auf der Rechnung bekommen die Mieter genau ausgewiesen, wie viele Kilowattstunden Mieterstrom sie im Jahr genutzt haben und wie viele Kilowattstunden aus dem allgemeinen Stromnetz bezogen werden mussten. Auch die Kosten sind selbstverständlich entsprechend aufgelistet. Zudem können Mieter über ein Online-Portal auch selbst den Überblick behalten und online einsehen, wieviel Energie die Anlage vor Ort gerade produziert und wieviel Sie davon nutzen. Somit können Sie in Echtzeit ihre Stromkosten einsehen und wertvolle Hinweise erhalten, wie sie Energie einsparen können. Möglich macht diese 15-minütige Auslesung ein intelligentes Messsystem, das aus einem so genannten Smart Meter und einem Kommunikationsgateway zur Datenauslese besteht.
Sind die Häuser im Hessenring die einzigen?
In Rüsselsheim am Main war das Hochhaus Am Borngraben 40, das ebenfalls der gewobau gehört, das erste, in dem Mieterstrom angeboten wurde. Hier wird allerdings der Strom durch ein Blockheizkraftwerk (BHWK) produziert, das im Keller steht. Doch das Prinzip des Mieterstroms ist dasselbe. Dabei hat das Land Hessen dieses Mieterstrommodell gefördert.
Wie bekommt man Mieterstrom?
Jede der 24 Mietparteien im Hessenring 15 bis 19 kann frei entscheiden, ob sie Mieterstrom möchte. Voraussetzung hierfür ist, dass die Mietpartei Stromkunde der Stadtwerke Rüsselsheim ist beziehungsweise wird. Interessierte können sich per Mail an die Stadtwerke wenden: E-Mail an mieterstrom@stadtwerke-ruesselsheim.de und wir nehmen Kontakt mit Ihnen auf. An diese Mailadresse können sich auch interessierte Vermieter oder Mieter wenden, die gerne Mieterstrom für ihre Immobilie installiert haben möchten.
Kommen alle Häuser in Betracht?
Die Förderung von Mieterstrommodellen nach dem EEG gilt für Gebäude, bei denen mindestens 40 Prozent als Wohnungen ausgewiesen sind. Aus einer vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragten Studie geht hervor, dass bis zu 3,8 Millionen Wohnungen bundesweit in den Genuss dieser Förderung kommen können. Allerdings bietet sich der Einbau einer PV-Anlage dann besonders an, wenn ohnehin Dach- oder Sanierungsarbeiten an einem Gebäude vorgenommen werden – so wie es jetzt im Hessenring 15 bis 19 der Fall ist. Dadurch werden die Kosten für das Aufstellen eines Gerüsts gespart, das sonst für den Bau der PV-Anlage aufgebaut werden müsste.
Wie fällt das Fazit aus?
Der Mieterstrom ist eine prima Möglichkeit, wie auch Mieter ihren Beitrag zur Energiewende und somit zum Schutz von Klima und Umwelt leisten können. Zudem wird das öffentliche Netz entlastet. Der Mieterstrom zeigt zudem auch, dass ein Einsatz von intelligenten Messsystem (Smart Meter plus Gateway) sinnvoll und notwendig ist, um die Stromkosten exakt abrechnen zu können. Einziger Wehmutstropfen: Voraussetzung für Mieterstrom ist, dass der Vermieter dem Bau einer PV-Anlage auf dem Dach oder eines BKHW im Keller zustimmt. Doch davon profitiert der Vermieter auch finanziell – und er kann sicher sein, dass zufriedene Mieter in seinem Haus wohnen.
www.stadtwerke-ruesselsheim.de/mieterstrom
Angaben zur Anlage
Auf den Dachflächen der Liegenschaften Hessenring 15, 17 und 19 sind drei PV-Anlagen mit jeweils 17,6 kWp Leistung installiert worden. Die Dachausrichtung ist Ost/West, weshalb beide Dachflächen mit jeweils insgesamt 96 Modulen belegt wurden. Durch die Ausrichtung kann der im Gebäude selbst verbrauchte regenerative Strom durchaus höher ausfallen als es bei einer reinen Südausrichtung der Fall wäre.