Konsequent klimafreundlich


Warum und wie die Stadtwerke Rüsselsheim ihre Busflotte auf E-Antrieb umstellen

Michael Niere

Von Michael Niere

Die Entwicklung zu einer klimaverträglichen Mobilität ist eine der Herausforderungen, aber auch Notwendigkeiten bei der Verkehrswende. Die Stadtwerke Rüsselsheim packen es an und werden ihre gesamte Busflotte mit 25 Fahrzeugen nach und nach elektrifizieren. Geplant ist, Ende 2025 die ersten batteriebetriebenen Linienbusse einzusetzen.

Bis 2037 soll die Umstellung abgeschlossen sein. Grundlage der Entscheidung, diesen konsequenten Schritt zu gehen, ist ein Gutachten darüber, welche lokal emissionsfreie Antriebsart für die Stadtwerke die technisch und wirtschaftlich günstigste ist. Im folgenden Beitrag erkläre ich die Hintergründe und berichte, was genau wir vorhaben.

Äußerlich kaum von anderen Bussen zu unterscheiden: der MAN Typ Lion’s City E, der zu Testzwecken eine Woche im Linienbetrieb in Rüsselsheim eingesetzt wurde.
Äußerlich kaum von anderen Bussen zu unterscheiden: der MAN Typ Lion’s City E, der zu Testzwecken eine Woche im Linienbetrieb in Rüsselsheim eingesetzt wurde.

Was hat die Stadtwerke zu dem Projekt veranlasst?

Den Anstoß gab ein europäisches Gesetz, die EU-Verordnung 2019/1161 namens „Clean Vehicles Directive“. In Deutschland umgesetzt wurde diese Richtlinie mit dem „Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz“, das am 2. August 2021 in Kraft trat und für öffentliche Auftraggeber verbindliche Quoten bei der Neu-Anschaffung sauberer Straßenfahrzeuge vorschreibt. Es enthält zwei Referenzzeiträume, in denen Mindestziele zu erfüllen sind: Vom 2. August 2021 bis 31. Dezember 2025 müssen mindestens 45 Prozent aller neu zu beschaffenden Fahrzeuge sogenannte saubere Antriebe haben. Für den Zeitraum 1. Januar 2026 bis 31. Dezember 2030 steigt diese Quote auf 65 Prozent. Wenigstens je die Hälfte davon müssen emissionsfrei sein.

Was bedeutet „saubere Antriebe“?

Im Sinne des Gesetzes geht es um Kraftstoffe oder Energiequellen, die zumindest teilweise als Ersatz für Erdöl als Energieträger dienen – und die zur Reduzierung der CO2-Emissionen beitragen. Genannt werden unter anderem Elektrizität, Wasserstoff, Biokraftstoffe, synthetische und paraffinhaltige Kraftstoffe, Erdgas samt Biomethan als CNG (komprimiertes Erdgas) oder LNG (Flüssigerdgas) sowie sogenanntes Autogas (LPG), eine unter Druck flüssige Mischung aus Propan- und Butangas.

Wie haben die Stadtwerke auf das Gesetz reagiert?

Wir haben uns dafür entschieden, unseren Busfuhrpark gleich auf emissionsfreie Fahrzeuge umzustellen. Daraufhin haben wir bei der ebusplan GmbH, einer Ausgründung aus der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, eine Machbarkeits- und Umsetzungsstudie beauftragt. Diese Studie wurde im Frühjahr 2023 abgeschlossen.

Nahmen den Testbus in Augenschein (von links): Hans-Peter Scheerer (Geschäftsführer), Michael Niere (stellvertretender Leiter des Verkehrsbetriebs) und Matthias Jensen (Fahrdienstleiter).
Nahmen den Testbus in Augenschein (von links): Hans-Peter Scheerer (Geschäftsführer), Michael Niere (stellvertretender Leiter des Verkehrsbetriebs) und Matthias Jensen (Fahrdienstleiter).

Um welche Fragestellungen ging es in der Studie?

Ausgangslage sind die Rüsselsheimer Gegebenheiten: die hiesige Infrastruktur inklusive des Betriebshofs der Stadtwerke mit eigener Werkstatt, die Topografie und unsere Betriebsdaten. Dazu gehören Linienverlauf und -längen, die Haltestellenabstände, Fahrtdauer und die Fahrzeugumläufe, also wie lange ein Bus am Tag insgesamt unterwegs ist. Unter diesen Rahmenbedingungen wurden mehrere Antriebstechnologien miteinander verglichen.

Was ist das Ergebnis?

Batteriebetriebe Busse sind für uns gegenüber mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen-Lösungen am wirtschaftlichsten und praktikabelsten. Wobei als Batteriesystem der sogenannte Depotlader, der über Nacht langsam auf dem Betriebshof geladen wird, im Vergleich zum Schnellladesystem die für uns bessere Variante ist. Eine Batterie mit einer Kapazität von 375 Kilowattstunden (kWh) wird für Solobusse empfohlen, 500 kWh für Gelenkbusse – jeweils mit einer Ladeleistung von 150 Kilowatt.

Welche Vorteile bietet diese Lösung?

Wir brauchen die Anzahl unserer Busse nicht zu erhöhen. Außerdem ist Ladestrom deutlich kostengünstiger als Wasserstoff. Aber natürlich profitieren auch Umwelt und Klima, wenn wir unsere Flotte auf diese Weise elektrifizieren. Den gesamten Lebenszyklus des Busses inklusive Bau und Verschrottung betrachtet, emittieren unsere Fahrzeuge dann 87 Prozent weniger CO2, 94 Prozent weniger Stickoxide und 80 Prozent weniger Feinstaubpartikel. Denn unsere künftigen E-Busse können mit Ökostrom betrieben werden.

Seit 2019 haben die Stadtwerke Rüsselsheim jedes Jahr zwei Hybrid-Busse angeschafft, die Energie, die beim Bremsen entsteht, in Antriebsenergie umwandeln.
Seit 2019 haben die Stadtwerke Rüsselsheim jedes Jahr zwei Hybrid-Busse angeschafft, die Energie, die beim Bremsen entsteht, in Antriebsenergie umwandeln.

Welche Busse setzen die Stadtwerke derzeit ein?

Wir haben im Bestand noch zwei mit Biomethan betriebene CNG-Busse, die bis Jahresende 2023 ausgetauscht werden. Danach werden wir eine reine Dieselflotte haben, darunter seit 2019 einige Hybridbusse, die dank eines kleinen Elektromotors mit bis zu zehn Prozent weniger Kraftstoff auskommen. Diese Elektro-Light-Variante ist bei uns dann bis zur sukzessiven Umstellung auf E-Busse erst einmal die Antriebsart der Wahl. Unsere Erdgastankstelle wird im Sommer nächsten Jahres geschlossen und zurückgebaut.

Was wurde in der Studie noch untersucht?

Es ging im nächsten Schritt auch um die Frage, ob wir gleich mit vielen E-Bussen einsteigen oder die Umstellung Schritt für Schritt verwirklichen sollen. Im Ergebnis werden wir unverändert zwei Busse pro Jahr ersetzen. Dank dieses konstanten Austauschs haben wir stets eine relativ junge Fahrzeugflotte.

Welche Kosten kommen auf die Stadtwerke zu?

Aktuell kostet ein E-Gelenkbus 750.000 Euro gegenüber 400.000 Euro für ein Dieselfahrzeug. Die Anschaffung eines E-Busses wird aber vom Bundesverkehrsministerium mit bis zu 80 Prozent der Mehrkosten gegenüber einem vergleichbaren Dieselfahrzeug gefördert. Bedingung ist, dass wir die Busse nicht leasen, sondern kaufen. Aber ohnehin bieten Leasinggesellschaften noch keine Finanzierung für E-Busse an.

Wie sieht es mit Fördermitteln aus?

Vom Bund werden 40 Prozent der Kosten für die erforderliche Ladeinfrastruktur und für Werkstattertüchtigungen bezuschusst. Einen weiteren Fördertopf hat das Land Hessen eingerichtet: Für die Investition in einen speziellen Netzanschluss, den man für die Ladeinfrastruktur bauen muss, gibt es bis zu 100.000 Euro. Allerdings waren Förderprogramme für E-Mobilität in der Vergangenheit oft überzeichnet.

Wie geht’s weiter?

Im Sommer fangen wir an, die Ausschreibung für die ersten E-Busse vorzubereiten. Im ersten Quartal 2024 wollen wir mit dem Ausschreibungsverfahren fertig sein, sodass wir dann die Austräge vergeben können. Die Lieferzeiten der Hersteller liegen derzeit bei einem Jahr bis eineinhalb Jahre. Parallel werden wir die Fördermittel beantragen. Die ersten beiden batteriebetriebenen Busse werden Ende 2025 auf unseren Betriebshof rollen.

Nach und nach werden die Dieselbusse aus dem Stadtbild von Rüsselsheim verschwinden.
Nach und nach werden die Dieselbusse aus dem Stadtbild von Rüsselsheim verschwinden.

Wie fällt das Fazit aus?

Zunächst erfüllen wir mit unserem Vorgehen die gesetzlichen Vorgaben, doch wir stehen voll hinter diesen Anforderungen: Mit der Elektrifizierung unserer Flotte wird die Luft in Rüsselsheim sauberer und wir tun etwas gegen den Klimawandel, wenn die Busse mit Ökostrom fahren. Ein weiteres Plus der E-Busse ist die Lärmreduzierung. Die wirtschaftliche Herausforderung ist allerdings enorm. Deshalb braucht es die Fördermittel. Und trotzdem wird der ÖPNV perspektivisch für die Fahrgäste teurer. Doch der Klimaschutz muss uns das wert sein.

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