Wärmedämmung – Mythos und Wahrheit, Teil 6
Von Hans Dieter Scherer-Gerbig
Häufig äußern Hauseigentümer die Angst, dass ein Wärmedämmverbundsystem mit Polystyro, das überwiegend verwendet wird, die Risiken im Brandfall deutlich erhöht. In mehreren Fernsehbeiträgen wurde leider diese Behauptung mit spektakulären Bildern von brennenden Wohnhäusern unterstützt, bei denen eine Außendämmung angebracht war, die jedoch mehr mit Sensationshascherei zu tun haben als mit den Fakten, die ich im folgenden Beitrag erläutern werde.
Nach dem verheerenden Großbrand am 14. Juni in einem Hochhaus im Londoner Grenfell Tower wurde zunächst auch wieder die Außendämmung verantwortlich gemacht. Jedoch waren die Wände nicht mit Polystyrol, sondern mit Polyurethan gedämmt und dieses schmolz nur oberflächlich. Tatsächlich brannte der Wetterschutz aus Aluminium-Kunststoff-Verbundplatten.
Durch was entstehen Brände?
Untersucht man das Thema Brandrisiko etwas genauer, kommen Brandfachleute zu folgendem Ergebnis. In Deutschland gibt es jährlich rund 180.000 Brände – circa 80 Prozent davon in Wohngebäuden. Die allermeisten Brände entstehen innerhalb des Hauses durch defekte elektrische Geräte, Fehler bei der Elektroinstallation oder durch Zigaretten oder Kerzen. Die Inneneinrichtung fängt als erstes Feuer. Die Fensterscheiben werden nach circa 10 bis 15 Minuten durch die verpuffenden Brandgase zerstört. Nicht verbrannte Pyrolysegase strömen nach draußen, entzünden sich mit Sauerstoff und brennen als Fackel vor dem Fenster nach oben. Zwei bis drei Minuten später werden die nächsten Fenster zerstört und der Brand wandert in das nächste Geschoss.
Was ist mit dem Polystyrol?
Dieser typische Brandverlauf passiert völlig unabhängig davon, ob die Außenwand gedämmt ist oder nicht. Je nach Situation kann das Polystyrol im Wärmedämmverbundsystem anfangen mit zu brennen – in der Regel dauert es jedoch zwanzig bis dreißig Minuten, bis es Feuer fängt. Vorher schmilzt das Material. Eine fachgerecht verputzte oder verkleidete Außendämmung in Brand zu setzen, ist schwer – die zugelassenen Dämmstoffe, somit auch das Polystyrol, sind meist schwer entflammbar. Wirkt ein Brand von außen auf ein Gebäude ein, wandert auch hier meist das Feuer schneller über die Fenster nach innen, als dass eine verputzte Wärmedämmschicht zu brennen beginnt.
Was ist die größte Gefahr?
Wie schnell sich der Brand im Raum ausbreitet, hängt im Wesentlichen von der so genannten inneren Brandlast ab. Diese wird von der Möblierung und von Bodenbelägen sowie den Treppenhäusern aus brennbarem Material bestimmt. Dabei geht die größte Gefahr für die Bewohner als erstes von den Brandgasen aus. Innerhalb weniger Minuten führen diese zu einer Rauchvergiftung, die tödlich sein kann. Entscheidend ist, dass die Bewohner möglichst schnell das brennende Haus verlassen, bevor sie zu viele Rauchgase einatmen. Daher ist in allen Bundesländern der Einbau von Rauchmeldern in Wohngebäuden Pflicht.
Welche neuen Brandschutzregeln gibt es?
Dass ein Feuer von außen ein Gebäude angreift, etwa durch brennende Müllcontainer oder andere Gegenstände, ist seltener. Um dies neu zu bewerten, wurden jedoch entsprechende Brandversuche veranlasst. Im Ergebnis wurden die Brandschutzregeln für neue Außenwanddämmungen mit Polystyrol für Häuser ab einer bestimmten Höhe verschärft, damit in Höhen, in denen das Löschen schwerer fällt, weniger Brandgefahren gegeben sind.
Wo hilft ein Brandriegel?
Daher werden nun zusätzliche so genannte Brandriegel aus nicht brennbarem Dämmstoff wie Mineralfaser eingebaut. Diese Regelungen gelten nur für Gebäude, an die besondere Anforderungen in Bezug auf den Brandschutz gestellt sind. Ein- und Zweifamilienhäuser sind in der Regel hiervon ausgenommen. Wer auch hier sicher sein will, kann im Sockelbereich und am oberen Ende beim Übergang zum Dach jeweils einen Brandriegel einbauen.
Was gibt es für Alternativen?
Wer aus Brandschutzgründen dennoch auf Polystyrol verzichten will, kann Mineralfaserplatten als nicht brennbare, aber etwas teurere Alternative bei Außendämmungen einsetzen. Auch Polyurethan-Dämmplatten sind für den Brandschutz geeignet. Wesentlich bedeutsamer sind bei einem Wohnungsbrand jedoch die Schaumkunststoffe in Polstermöbeln und Matratzen, als die Dämmstoffe an der Außenwand. Brandschutzvorschriften tolerieren – sinnvoller Weise –Wohnzubehör, Teppichböden, Fenster und Dachstühle aus Holz, obwohl sie bei einem Brand schneller zum Problem werden können als Dämmstoffe.
Wie sieht das Fazit aus?
Eine gedämmte Außenwand erhöht im Brandfall nicht ursächlich das Risiko für die Bewohner. Neue Vorschriften reduzieren außerdem die Risiken beim Brand von außen. Die wichtigste Erkenntnis: Wegen der Rauchgasentwicklung müssen die Bewohner schnellst möglich das Haus verlassen.
Alle Beiträge zum Thema:
-
-
- Warum das Vorurteil falsch ist, dass gedämmte Wände die Schimmelbildung fördern / Wärmedämmung – Mythos und
Wahrheit, Teil 1 - Warum Wände nicht „atmen“ und Häuser luftdicht sein müssen Wärmedämmung – Mythos und Wahrheit, Teil 2
- Wachsen Algen nur an gedämmten Fassaden? Wärmedämmung – Mythos und Wahrheit, Teil 3
- Was ist wichtiger: Wärmespeicherung oder Wärmedämmung? / Wärmedämmung – Mythos und Wahrheit, Teil 4
- Können Sonnenstrahlen die Dämmung ersetzen? / Wärmedämmung – Mythos und Wahrheit, Teil 5
- Ist eine Wärmedämmung der Außenwände brandgefährlich? / Wärmedämmung – Mythos und Wahrheit Teil 6
- Wird wirklich so viel Energie gespart wie berechnet? / Wärmedämmung – Mythos und Wahrheit Teil 7
- Wie sich in 30 Jahren rund 87.000 Euro sparen lassen – Wärmedämmung – wann und wie rechnet sich das? Mythos und Wahrheit, Teil 8
- Wie ökologisch ist Styropor oder ist es zum Schluss Sondermüll? Wärmedämmung – Mythos und Wahrheit, Teil 9
- Schimmelfördernd und brandgefährlich? Die Antworten auf die neun größten Vorurteile / Wärmedämmung: Mythos und Wahrheit – die Zusammenfassung
- Warum das Vorurteil falsch ist, dass gedämmte Wände die Schimmelbildung fördern / Wärmedämmung – Mythos und
-
Wichtige Tipps zur Brandgefahr! Die beherzige ich bei der Dämmung von den eigenen vier Wänden. Welche zusätzlichen Maßnahmen wären da zu empfehlen?
Hallo finn,
in manchen Fällen waren brennende Objekte vor den Häusern die Ursache, so z.B. an der Fassade stehende Mülltonnen oder ein Moped die in Brand gerieten, bzw. mutwillig angezündet wurden.
Solche und ähnliche, potenziellen Brandherde sollten mit Abstand vom Haus platziert werden.
Sonnige Grüße, Hans Dieter Scherer-Gerbig
Gut zu wissen, dass das Polystyrol von Wärmedämmverbundsystemen mit brennen kann. Ich hoffe, dass sich alternative Materialien finden, um diesem Risiko entgegenzuwirken. Mineralfaserplatten klingen dabei schon sehr vielversprechend.
Danke für Ihren Beitrag über die Wärmedämmung der Außenwände. Die Thematik ist für mich seit gewisser Zeit sehr relevant. Mit diesem Artikel habe ich einen perfekten Einstieg gefunden.
Wir wollen ein Wärmedämmverbundsystem installieren. Schön zu lesen, wie man dies auch bei einem Brand einsetzen sollte. So ist man effizienter unterwegs.